Arbeitsbeispiele

Interview

„Fröhlicher Optimismus“
Harald Krämer, Online-Redakteur, führt ein Gespräch mit Werner Irro. Erschienen in „Wort-Institut“, Herbst 2013, Hamburg

Geben Sie uns einen kurzen Überblick über Ihre beruflichen Stationen?
Werner Irro: Es waren drei Stationen vor der Selbstständigkeit. Ich begann als PR-Referent in einem IT-Unternehmen, das gerade an die Börse ging, wo es bis dahin gar keine PR-Abteilung gegeben hatte. Wunderbare Lehrjahre, jede Form von Unternehmenspräsentation bis hin zur CI-Entwicklung war möglich. Fünf Jahre später der Wechsel in ein Künstlerhaus, in dem junge Künstler aus der ganzen Welt jeweils sechs Monate arbeiteten. Hier habe ich alles gemacht, was Print ist. Schritt drei war dann der Einstieg in die Welt der Bücher. Im Rowohlt Verlag betreute ich zunächst deutsche Autoren, das erweiterte sich später, Sachbücher kamen hinzu, historische und Kriminalromane, Reisebücher. Begleitet wurde das von Anfang an von eigenen journalistischen Texten von mir. …

Wie fühlt sich für einen Freiberufler die „Freiheit“ im Alltagsgeschäft an (Stichwort Arbeitszeiten, ständiger Akquisitionszwang etc.)?
Gute Frage. Was ich empfinde, ist ein großer Freiraum bei dem, was ich tue. Wenn ich ein Projekt realisiere, kann ich mich viele Tage darauf konzentrieren. Das ist kostbar. Ich sehe ja die festangestellten Kollegen, die von Meeting zu Meeting eilen und vor lauter Organisieren kaum Zeit für die eigentliche Arbeit haben. Ich nehme sie mir, das ist schon ein Privileg.
Sie scheinen ein Faible für lange Distanzen zu haben. Sie haben Marathons absolviert, außerdem Ultraklassiker wie den Swiss Alpin Marathon oder die 100 Kilometer von Biel. Brauchen Sie die „lange Kante“ als Ausgleich zur einsamen Schreibtischarbeit?
Einen 500-Seiten-Roman zu lektorieren oder eine Unternehmensbroschüre zu konzipieren wird ja oft auch zu einer Form von „Marathon“ ... Aber es stimmt schon: Hier in Hamburg abends um die Alster zu laufen oder im Niendorfer Gehege zu verschwinden, das ist eine große Lust. Danach bin ich frisch wie am Morgen. Die Ultraläufe sind die kleinen Höhepunkte, die ich mir einmal im Jahr gönne. Dafür trainiere ich dann allerdings sehr ehrgeizig.
Philip Roth verdanken wir den kernigen Satz: „Amateure warten auf Inspiration. Profis setzen sich hin und arbeiten.“ Was ist wichtiger beim Texten: solides Handwerk oder kreatives Ideenfeuerwerk?
Eine Malerin hat mir einmal erklärt, wie wichtig für sie stundenlanges Üben ist, Schatten zeichnen, Gliedmaßen, Blätter, die klassischen Etüden eben. Auf solchen eingeübten Fertigkeiten kann dann eine kreative Leistung aufbauen. Bei konzeptionellen Ideen ist es ähnlich. Sie können entstehen, wenn man sich eine Materie einverleibt hat, sich ihr ausgesetzt hat. Geistesblitze verpuffen meist nach 20 Sekunden.
Das Wort-Institut bietet einen Rundum-Service in Sachen Text. Wie wichtig ist dabei das „Netzwerken“?
Bei mir war das von Anfang an wichtig. Man macht sich ja nicht „auf der grünen Wiese“ selbstständig, sondern in einem Umfeld, in dem man zu Hause ist, wo man die Spielregeln kennt, die Rituale. Komischerweise ist mir das erst später richtig bewusst geworden, am Anfang dachte ich tatsächlich: Ich fange jetzt etwas ganz Neues an. Heute weiß ich, wie ich vom Eingebundensein profitiere, als Nehmen und als Geben. Und doch – dass mit jedem Tag auch etwas „ganz Neues“ beginnt, ganz will ich dieses Gefühl nicht aufgeben.
Zum Schluss wünschen wir uns drei Lesetipps vom Belletristik-Lektor Werner Irro, drei absolute Must-Read, egal aus welchem Genre …
Ein phänomenales Buch ist „Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten“ von Neil MacGregor, dem Direktor des British Museum in London. Hier sind wir im Innersten der Arbeit mit Bildern, die erst einmal bloße Objekte sind. Eine Tonplatte mit Keilschrift oder eine Kreditkarte. Unsere Imagination macht dann daraus, wofür diese Objekte stehen. Nach diesem Buch sieht man tatsächlich neu. Um sich ein bisschen zu gruseln empfehle ich Heinrich Steinfests Roman „Ein sturer Hund“. Ein zur Hälfte chinesischer und österreichischer Privatdetektiv muss, ausgerechnet in Stuttgart, einen Mord aufklären. Sehr komisch. Und vielleicht noch ein Roman über die Sommerliebe eines Jugendlichen, das Ganze spielt auf Ischia in den Fünfziger Jahren: „Das Meer der Erinnerung“ von Erri de Luca. Ein Stück Zeitgeschichte.
Ihre eigene gegenwärtige Verfassung?
Als eine Art Arbeitsmotto gefällt mir der grundlose Pessimismus von Samuel Beckett gut. „Always tried, always failed, no matter. Try again, fail again, fail better.“ Ich lese das als fröhlichen Optimismus.